Das der vorletzte Tag dieser Tour noch einmal richtig hart werden würde, war mir von Anfang an klar. 180 km lang, über 2000 Höhenmeter und teilweise auf Nebenstrecken in der Türkei, deren Zustand mir unbekannt war, deuteten darauf hin.
Ich möchte jetzt nicht sagen, dass die Steigungen des Strandža Gebirges nicht anstrengend waren. Ich kam dann trotzdem schneller als gedacht an einem Schild vorbei, das sagte: Türkey 3 km.
An der Grenze habe ich dann einen Fehler begangen. Auf der bulgarischen Seite gab es eine Wechselstube, die mir allerdings nicht sehr vertrauenswürdig vorkam. Auf der türkischen Seite gibt es sicher ein ganzes Einkaufszentrum, dachte ich und hatte mich getäuscht.
Ohne Türkische Lira fuhr ich also weiter. Von der hervorragend ausgebauten Schnellstrasse musste ich dann bald links abbiegen, auf eine akzeptable Nebenstrasse.
Im nächsten Dorf gab es natürlich keine Bank und keinen Supermarkt, nur eine Moschee und zwei Cafes, vor denen alle männlich Einwohner des Ortes zu sitzen schienen.
Ich fuhr weiter und die Strasse wurde schlechter. Natürlich war es heiss und mein Wasservorrat wurde weniger. Auch in den nächsten Dörfern das gleiche Bild.
Inzwischen war ich auf Schotter der übelsten Sorte unterwegs und hatte kaum noch Wasser. Im nächsten Dorf meinte ich so etwas wie einen kleinen Supermarkt ausgemacht zu haben, es war aber nur ein Cafe.
Davor saß ein Teenager, der auf seinem Handy rumspielte, sich aber irgendwie verantwortlich fühlte. Als ich auf ihn zukam stand er auf und schien mich zu fragen, was ich wolle.
Meine Frage, ob ich hier mit Kredikarte oder Euro zahlen könnte, hat er nicht nur nicht verstanden, er schien es auch total crazy zu finden, dass ich ihn auf eine anderen Sprache ansprach.
Im Cafe saßen drei Männer an einem Tisch. Ein älterer, etwas breiterer Herr mit Schnäuzer, den man so auch in Oberbayern hätte antreffen können, ein hargeres altes Männchen mit Mütze und der dritte, offensichtlich der Vater des Teenagers, mit rundem, sehr gebräunten Gesicht.
Der war hier offensichtlich der Chef und machte mit der rechten Hand eine große Geste, die man da wo ich herkomme als “Hau bloß ab! ” deuten würde. Dafür war sein Gesichtsausdruck allerdings zu freundlich.
Der Teenager rückte mir dann einen Stuhl an den Tisch und ich setzte mich zu den Herren. Obwohl wir alle keine gemeinsame Sprache hatten, war schnell klar, dass ich Durst hatte aber keine Lira.
Daraufhin schickte mich der Besitzer des Cafes zu seinem Kühlschrank und meinte, ich solle mir auf seine Kosten nehmen, was ich möchte. Der Teenager beaufsichtigte mich dabei und konnte offenbar nicht verstehen, warum ich ausgerechnet einen Pfirsichnektar wollte. Er zog sich daraufhin auch wieder auf seinen Platz vor dem Eingang zurück und widmete sich wieder seinem Handy.
Ich setzte mich wieder zu den drei Herren und stürzte den kühlen Saft herunter. Schnell war klar, dass ich aus Berlin kam, mit dem Rad auf dem Weg nach Istanbul war, dafür erntete ich etwas Respekt aber auch viel Kopfschütteln, und gerade aus Bulgarien kam. Im Zusammenhang mit Bulgarien fiel das Wort Leva und tatsächlich hatte ich noch 10 Leva bei mir, die ich sofort hervorholte.
Der Schein, immerhin im Gegenwert von 5 Euro, machte die Runde, aber niemand schien ihn haben zu wollen. Dann kam aber Bewegung in die Runde und der Besitzer des Cafes wollte jemanden herbeiholen.
Das warten zog sich hin und das hargere Männchen versuchte mir immer wieder etwas zu erklären, woraufhin ihm der Herr mit dem Schnäutzer sagte, dass ich ihn doch nicht verstehen kann.
Schliesslich kam ein vierter Herr in das Cafe, Mitte 60 und etwas aus der Puste, der mich sofort mit, “Wie geht’s, mein Freund!” begrüßte. Auf deutsch. 1968 hatte es ihn für 2 Jahre nach Nürnberg verschlagen und danach nach München. Dort gefiel es ihm besser.
Die Verständigung klappte hervorragend und er schickte mich gleich nochmal an den Kühlschrank seines Freundes. Während ich den zweiten Pfirsichnektar leerte, nahm mein bayrischer Freund den Platz des Besitzers ein und begutachtete ebenfalls den Geldschein. Begeistert davon war aber auch er nicht, woraufhin ich sagte, ich hätte auch Euro dabei. Das kam besser an.
Schnell wurden Geldbündel gezückt, mein bayrischer Freund hatte gar zwei in der Hosentasche, das eine grosse Euroscheine, das andere Türkische Lira. Für 50 Euro bekam ich 150 Lira, sogar 1 Lira mehr als der offizielle Tageskurs.
Als das geklärt war, setzten wir unsere Unterhaltung fort. Mein neuer Freund genoss es offensichtlich deutsch zu reden und erntete Respekt dafür von den anderen Anwesenden. Gerade als ich aufbrechen wollte, wurde ich nochmal an den Kühlschrank geschickt.
Ich wurde dann auch gefragt, ob ich schon etwas gegessen hätte oder Brot und Käse bräuchte. Ich bedankte mich für das Angebot, Essen hatte ich aber dabei. Dann wurde meine Reiseroute noch begutachtet und mir geraten, ab dem übernächsten Dorf die Bundesstrasse zu nehmen, auch wenn die länger ist.
Angetan von der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft machte ich mich wieder auf den Weg. Ich befolgte dann auch den Rat der Herrschaften und nahm die Bundesstrasse.
Schotterstrassen, gerade in einer hügeligen Landschaft wie hier, sind einfach eine Qual. Man kommt schlecht die Steigungen hoch, die zum Teil auch ausgewaschen sind, und die Abfahrten sind verdammt gefährlich, da man schnell ins Rutschen kommt.
Auf den letzten 30 km hat mir der rauhe Strassenbelag und starke Gegenwind nochmal alles abverlangt, bis ich schliesslich nach 192 km in meiner Herberge in Saray ankam.